Der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares 2022
Der Hamburger Theater e.V. kürt 10 Preisträger*innen für herausragende künstlerische Leistungen auf Hamburgs Bühnen
In einem ungewöhnlichen Setting versammelte sich die Hamburger Theaterwelt am Montag, den 21. November 2022 im Jungen SchauSpielHaus am Wiesendamm, um die Preisträger*innen des Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares 2022 zu feiern. Denn die 17. Verleihung des wichtigsten Theaterpreises der Stadt, wurde inmitten des eindrucksvollen Bühnenbildes der Inszenierung „Romeo und Julia“ von Stanislava Jevic und Mathias Spaan zelebriert – so etwas geht nur im Theater. Moderiert von Laura Brust (Theaterpädagogin am Jungen SchauSpielHaus) und Klaus Schumacher (Regisseur und Künstlerischer Leiter am Jungen SchauSpielHaus) und gespickt mit musikalischen und performativen Einlagen des hauseigenen Ensembles bot das Event einen vergnüglichen Abend für rund 175 geladene Gäste.
Bereits seit 2006 werden mit dem Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares jährlich Theaterschaffende aus den unterschiedlichsten Bereichen für ihre herausragenden Leistungen in der vergangenen Spielzeit geehrt. Jana Schiedek, Staatsrätin für Kultur und Medien sagte in ihrem Grußwort: „Der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares bringt Jahr für Jahr die Hamburger Theaterlandschaft zusammen – ganz wie es dem Namensgeber des Preises gefallen hätte. Der Hamburger Theater e.V würdigt dabei herausragende schauspielerische, dramaturgische und bühnenkünstlerische Leistungen der verschiedensten großen und kleinen Theater in der Kulturstadt Hamburg. Den großen Erfolg der Hamburger Bühnen verdanken wir auch dieser Kultur der gegenseitigen Wertschätzung, von dem der Preis geprägt ist. Der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares kann dabei Würdigung, Unterstützung, sowie Sprungbrett für die ausgewählten Künstlerinnen, Künstler und Institutionen sein. Gerade in diesen krisenhaften Zeiten ist der Preis aber auch ein Dank an die Preisträgerinnen und Preisträger, die mit ihren kreativen Ideen und mit Mut neue Wege aus der Krise denken und andere Arten des Zusammenlebens erfahrbar machen.“
Über die gesamte Saison hatte die siebenköpfige Jury die Neuproduktionen der großen und kleinen Hamburger Spielstätten besucht um aus der Vielzahl der bemerkenswerten künstlerischen Leistungen eine kleine Auswahl herauszuarbeiten. Zehn Preisträger*innen in sieben Kategorien durften sich in diesem Jahr über die begehrte Auszeichnung freuen. Jeder Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Zusätzlich erhalten alle Preisträger*innen einen personalisierten Montblanc-Füller.
Der Choreograph John Neumeier erhielt den Preis in der Kategorie Konzeption für „Die Unsichtbaren“ im Ernst Deutsch Theater. Seine Tanzcollage, in der es um Tanz und Tänzer*innen im Deutschland der 20er und 30er Jahre geht, holt die Verfolgten von damals zurück auf die Bühne: Juden und Jüdinnen, Homosexuelle, Sinti, Roma, Unangepasste – viele von ihnen ermordet, viele von ihnen vergessen, unsichtbar geworden. Die Jury hat beeindruckt „wie Vergangenheit und Gegenwart in einer zwingenden Choreografie in eins greifen können, wie politisch akzentuiert John Neumeier sein Thema mit dem Bundesjugendballett und Schauspieler*innen auf die Bühne des Ernst Deutsch Theaters bringt“, ein „wichtiges, zutiefst bewegendes Zeit-Theater“.
Der Preis in der Kategorie Maske ging an Julia Wilms, Jutta Böge, Esther Chahbaznia und Jelena Miletic für „Tod in Venedig“ am Thalia Theater / Thalia in der Gaußstraße. In bis zu 60 Stunden aufwendiger Handarbeit wurden die Perücken geknüpft, die laut Jury der heimliche Star in Bastian Krafts ohnehin schon fantastisch-cineastisch verwobenem Gesamtkunstwerk seien. Der Kunstfertigkeit des Masken- und Kostümbildnerinnen-Teams sei es zu verdanken, dass sich Abend für Abend die vier Schauspielerinnen neben den zahlreichen Video-Nebenrollen so eindrucksvoll in ein Thomas Mann-Quartett verwandeln können.
Claudia Isbarn wurde für ihre Herausragende Darstellung in „Die Maria und der Mohamed“ am kleinen hoftheater ausgezeichnet. Als zunehmend pflegebedürftige Maria wehrt sie sich wortgewandt, bissig und verletzend nicht nur gegen übergriffige Pflegekräfte, sondern zunächst auch mit fremdenfeindlichen Bemerkungen gegen den eher zufällig anwesenden syrischen Geflüchteten Mohamed (Harun Yildirim). Dabei gelingt es Claudia Isbarn, immer auch die lebenskluge und mitfühlende Maria unter der rauen Schale spürbar werden zu lassen, die nach und nach die Verletztlichkeit Mohameds erkennt – eine überzeugende und berührende Darstellung einer facettenreichen Frau.
Ebenfalls in der Kategorie Herausragende Darstellung wurde Daniel Hoevels für die Rolle des Michail German in „Revolution“ am Deutschen SchauSpielHaus Hamburg geehrt. Als junger, blasser und ehrgeiziger Architektur-Dozent, der sich in den 2010ern mit einem mafiösen Geheimbund einlässt, legt Daniel Hoevels in seiner mimisch, gestisch und sprachlich spannungsgeladenen Gestaltung die brisante Mixtur eines unpolitischen Mitläufers mit dem Willen zur Unterwerfung bei gleichzeitiger Verführbarkeit durch Macht offen. In den Augen der Jury eine Idealbesetzung in der rasanten, ästhetisch-politisch bestechenden Inszenierung von Dušan David Parízek.
Und noch ein dritter Preis für Herausragende Darstellung wurde in diesem Jahr verliehen. Verdient hat ihn sich Jascha Schütz für seine vielseitige Rolle als Woyzeck in der gleichnamigen Inszenierung von Björn Kruse am Theater das Zimmer. In dem Solo-Stück spielt Jascha Schütz nicht nur den Woyzeck, sondern auch den Hauptmann, der ihn demütigte, den Doktor, der ihn für medizinische Experimente missbrauchte, den Major, der ihm die Frau wegnahm, und Marie, die ihn betrog und die er tötete – und das absolut glaubhaft und teilweise in schnellem Wechsel. „Ein sehr intensives Spiel – von der ersten bis zur letzten Minute fesselnd“, urteilt die Jury.
In der Kategorie Regie konnte Ayla Yeginer mit „Kleiner Mann – was nun?“ nach dem Roman von Hans Fallada im Ohnsorg Studio die Jury überzeugen. Die Regisseurin inszeniert die Geschichte über das Elend der kleinen Leute in der Weltwirtschaftskrise Anfang der 1930er Jahre in einem beeindruckenden Zusammenspiel aus Liebe, Zuversicht und zunehmender Verzweiflung, garniert mit meist schrill überzeichneten Rollen und skurrilen Momenten. Großartige Satire, die Jochen Klüßendorf auch durch seine Musik bereichert. „Die Regisseurin weiß das alles zu einem beeindruckenden Ganzen zusammenzufügen.“
Mit dem Sonderpreis wurde in diesem Jahr Francoise Hüsges für die Leitung des monsun.theaters geehrt, die mit unglaublicher Kreativität und Energie und allen Widrigkeiten trotzend die barrierefreie Sanierung des Theaters vorantreibt. Wo andere längst das Handtuch geworfen hätten, nutzt sie die Baustelle als Bühne oder findet neue Räume und dazu immer neue überraschende Theaterformen, digital und analog. Sie kooperiert mit Theatern aus Hamburg, Berlin und sogar weltweit, öffnet Theater auch für andere Kulturschaffende und ihr besonderes Anliegen ist das inklusive AUSSICHT Festival. Alles immer ganz nah an ihrem Publikum.
Die Verleihung des Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares hat einmal mehr die herausragende Vielfalt und das einzigartige Leistung der Hamburger Theaterschaffenden unter Beweis gestellt. Mit viel Herzblut und Akribie wird hier Theater auf die Bühne gebracht, das seine Rolle als gesellschaftlicher Katalysator ernst nimmt und weit über den jeweiligen Theaterabend hinausreicht.