Der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares 2023
Der Hamburger Theater e.V. kürt 10 Preisträger*innen für herausragende künstlerische Leistungen auf Hamburgs Bühnen
Am 13. November 2023 traf sich die Hamburger Theaterwelt auf Kampnagel, um den wichtigsten Theaterpreis der Stadt zu verleihen, den Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares. Seit 2006 werden damit jährlich Künstler*innen in unterschiedlichen Kategorien für ihre herausragenden Leistungen in der vergangenen Spielzeit ausgezeichnet.
Die bereits 18. Verleihung des Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares wurde von Michel Abdollahi moderiert, die Künstler*innen The Schmidt, Benson, Tash Africa, Géraldine Schabraque und Kian Jazdi sorgten mit Musik und Tanz für das künstlerische Rahmenprogramm.
Dr. Carsten Brosda, Senator für Kultur und Medien, sagte in seinem Grußwort: „Es sind ganz viele kreative Menschen, die durch ihre Inszenierung einen Text zum Leben bringen. Sie schaffen mit ihrem Bühnenbild eine eigene Welt oder führen uns in das Innerste der Figuren, die sie spielen. Damit prägen die Künstlerinnen und Künstler die Identität der Theaterhäuser, an denen sie tätig sind und öffnen uns ganz eigene Welten. Die diesjährigen Preisträger*innen machen die ungeheure Vielfalt der Theaterlandschaft Hamburgs sichtbar. Die Preise gehen völlig zu Recht an Staats- sowie Privattheater und an Arbeiten in kleinen Spielstätten ebenso wie auf den großen Bühnen. Ich gratuliere allen Preisträger*innen und bin den Häusern dankbar für ihre großartige Arbeit, mit der sie uns Jahr für Jahr nachdenken, träumen und hoffen lassen.“
Über die gesamte Spielzeit hatte die siebenköpfige Jury die Neuproduktionen der Mitgliedstheater des Hamburger Theater e.V. besucht, um insgesamt neun Preisträger*innen in fünf Kategorien mit der begehrten Auszeichnung zu küren. Jeder Preis ist mit 1000 Euro dotiert. Zusätzlich erhalten alle Preisträger*innen einen personalisierten Montblanc-Füller.
In der Kategorie Inszenierung wurde Paul Glaser für „The Pride“ am The English Theatre of Hamburg ausgezeichnet. Das Stück zeigt, wie viel Mut es damals wie heute braucht, sich zur eigenen sexuellen Identität und den immer noch damit verknüpften gesellschaftlichen Konsequenzen zu bekennen. Die Jury betont, dass Glaser „mit den exzellent besetzten vier Darsteller*innen präzise und klug eine verwobene Dreiecksgeschichte auslotet. Dieser intensive Abend zelebriert die Vielfalt und die Offenheit der Gesellschaft, die es heute mehr denn je benötigt, verteidigt zu werden.“
Ein weiterer Preis in der Kategorie Inszenierung wurde an Bastian Kraft für seine temporeiche und aberwitzige Inszenierung von „Der Talisman“ am Thalia Gaußstraße verliehen. „Kraft gelingt es, die simplen Elemente des Volkstheaters mit dem Einsatz raffinierter zeitgenössischer Video- und Bühnentechnik klug zu kombinieren. Wortwitz, Situationskomik, Verkleidung, Typologie werden dadurch auf eine absurde aber nie überzeichnende Spitze getrieben“, begründet die Jury ihre Entscheidung.
In der Kategorie Bühnenbild wurde Jürgen Höth für „Dat Füerschipp“ am Ohnsorg-Theater ausgezeichnet. Murat Yeginer, Oberspielleiter des Ohnsorg-Theaters, nahm den Preis für den im Juni 2023 verstorbenen Bühnenbildner entgegen. Das eindrucksvolle Bühnenbild für die Bühnen-Adaption von Siegfried Lenz‘ Erzählung „Das Feuerschiff“ zeigt den vorderen Teil eines Schiffs mit Decksplanken, Reling, Treppen und vielen weiteren Details. Mithilfe der Drehbühne lässt Höths Bühnenbild zusätzlich in die aufgeschnittene Messe blicken. „Eine wahrlich großartige Leistung, denn sein realistisches Bühnenbild gibt der spannenden Handlung erst den notwendigen, von Naturgewalt bestimmten Hintergrund“, zeigt sich die Jury begeistert. Das Preisgeld wurde im Namen der Familie an die Organisation Hamburg Leuchtfeuer gespendet.
Kristof Van Boven wurde in der Kategorie Darstellung für seinen „Macbeth“ im gleichnamigen Stück am DeutschenSchauSpielHaus Hamburg prämiert. In der Inszenierung von Karin Henkel überzeugte der vielseitige Schauspieler die Jury: „Mimik, Gestik, Artistik – bei Kristof Van Boven ist ständig alles in Bewegung und in dieser Rolle zeigt er wieder einmal auf meisterhafte Art, was für ein enorm wandlungsfähiger, feinnerviger und intensiver Darsteller er ist.“
Ebenfalls in der Kategorie Darstellung wurde Teresa Weißbach für ihre eingehende Darstellung der „Hedda Gabler“ im gleichnamigen Stück in den Hamburger Kammerspielen geehrt. Im Stück von Henrich Ibsen unter der Regie von Kai Wessel „erzeugt Weißbach mit ihrem Spiel Mitleid, Unverständnis bis hin zur Fassungslosigkeit über die Unverfrorenheit ihres Handelns. Der Intensität ihrer Darstellung kann man nur staunend zusehen – bis zum bitteren Ende“, so die Jury.
Der Komponist Salvatore Sciarrino erhielt den Preis in der Kategorie Musik und Komposition für die Komposition von „Venere e Adone“, eine Auftragskompostion für die Staatsoper Hamburg. Entgegengenommen wurde der Preis stellvertretend von Georges Delnon, Intendant der Staatsoper Hamburg. Die Jury überzeugte das sinnlich-fragile wie rhythmisch komplexe und anspielungsreiche Werk: „Der Komponist erzählt mit schlitzohrigem Humor aus der Mythenwelt von Göttin Venus und ihrer Adonisaffäre. Klänge am Rande der Stille, ein musikalisch feinst verwobenes Seufzen über die Macht der Liebe“
Eine weitere Auszeichnung in der Kategorie Musik und Komposition ging an Amy Brinkman-Davis für „Hans und Grete“ am Opernloft. Damit würdigt die Jury die „ergreifende Bearbeitung des Märchenopernevergreens”. Als „(k)ein Märchen für Erwachsene“ bezeichnet das Opernloft die Adaption der Oper von Engelbert Humperdinck, in der die Alten Hans und Grete aufgrund von Demenz mehr und mehr der Welt abhandenkommen, so wie sich die Kinder Hänsel und Gretel im Wald verirren. Brinkman-Davis hat die Inszenierung, in der auch Melodien von Wagner und Mahler vorkommen, für ein fünfköpfiges Ensemble arrangiert. „Klein ist die Besetzung und groß das Resultat“, hebt die Jury hervor.
Der Sonderpreis für außergewöhnliche Leistungen im Rahmen des Hamburger Theaterlebens wurde dieses Jahr an Michael Frowin und Heiko Schlesselmann für das Theaterschiff Hamburg verliehen. Die beiden Theaterschaffenden wurden dabei für die Vielfalt ihres Programms auf der kleinsten und niedrigsten Bühne der Stadt und darüber hinaus für ihr gutes Händchen bei der Sanierung der einzigen hochseetüchtigen Bühne Europas geehrt. Die Jury lobt: „Was hier Heiko Schlesselmann und Michael Frowin mit ihrem Team auf die Bühne bringen, ist immer wieder erstaunlich und beglückend. Ein unverzichtbarer und ganz besonderer Bestandteil der Hamburger Theaterszene.“
Auch in diesem Jahr hat die Verleihung des Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares die herausragende Vielfalt und Leistung der Hamburger Theaterschaffenden eindrucksvoll präsentiert. Besonders in schwierigen Zeiten wird deutlich, welch wichtige gesellschaftliche Rolle die Kultur einnimmt. Theater kann kritisieren und anprangern, aber auch zum Träumen einladen, Hoffnung machen und so hoffentlich auch zum Umdenken bewegen.