Die richtigen Weichen gestellt

 

Gespräch mit Matthias Schulze-Kraft: Bis zum Saisonende noch drei große Projekte  im LICHTHOF Theater  – im Stream und Open Air

 

von Heinrich Oehmsen

 

Matthias Schulze-Kraft, Künstlerische Leitung LICHTHOF Theater ©  G2 Baraniak 

Streaming ist für die Theater Hamburgs in den vergangenen Monaten fast die einzige Möglichkeit gewesen, dem Publikum zu zeigen, woran man gerade arbeitet, denn Publikum ist durch die pandemiebedingt Bestimmungen der Stadt seit November nicht mehr zugelassen. Diese krassen Einschränkungen haben auch das LICHTHOF Theater in Bahrenfeld getroffen, doch Matthias Schulze-Kraft, künstlerischer Leiter der Off-Bühne, hat in einem Interview geäußert, dass man „leichtfüßig durch die Krise gekommen“ sei. „Das bedeutet nicht, dass wir in den vergangenen Monaten nicht hart gearbeitet hätten“, erläutert er im Gespräch. „Als der zweite Lockdown kam, waren wir technisch gut ausgestattet und hatten genügend Expertise, dass wir unsere Projekte im Internet fortsetzen konnten. Wir haben sehr früh die richtigen Weichen gestellt“, so Schulze-Kraft.

Lange bevor die Corona-Pandemie die Spielpläne der Bühnen durcheinander wirbelte und die Theatermacher*innen vor neue Herausforderungen stellte, war das LICHTHOF Theater bereits ein paar Schritte in Richtung Digitalisierung voran gegangen.  Seit vier Jahren experimentiert die Bühne an der Schnittstelle zwischen performativen Künsten und Digitalem. Schon bei Hauptsache frei, das 2015 als Festival der freien Szene in Hamburg läuft, gab es den sogenannten digitalen Track, in dem im Beiprogramm digitale Praktiken untersucht wurden. Inzwischen gibt es das #Lichthof_Lab. „Eigentlich ging es uns nicht darum, Online-Theater zu machen, sondern einen Raum zu schaffen, in dem experimentiert werden kann“, erläutert Schulze-Kraft. „In der veränderten Situation konnten wir diesen Online-Raum kurzfristig nutzen, um die im Spielplan vorgesehenen und bereits geförderten Projekte auch umzusetzen.“

"Tax For Free" © Judith Wessbecher 

Voraussetzung dafür war jedoch eine technische Aufrüstung. „Mit Hilfe von Bundesmitteln haben wir im ersten Lockdown vor einem Jahr hochwertige Technik wie Kameras, Mikrofone und einen extra Rechner besorgt und auch einen externen Kooperationspartner für das Streaming verpflichtet“, berichtet der Theaterleiter: „Wir haben dann den Gruppen und Künstler*innen, die bei uns arbeiten, angeboten, ihre Arbeiten im Streaming zu zeigen. Viele haben sich darauf eingelassen, einige konnten sich das nicht vorstellen. Wir haben dann vor 30 Zuschauer*innen gespielt und parallel gestreamt und bei 150 Zuschauer*innen vor den Geräten zu Hause mehr Publikum erreicht, als das bei ausverkauftem Haus überhaupt möglich gewesen wäre.“ Via Internet kann es dabei sogar zu  kuriosen Begegnungen kommen: „Bei einem Publikumsgespräch war ein Ehepaar zugeschaltet, das gerade mit seiner Yacht vor Mallorca schipperte“, erzählt Schulze-Kraft.

In dieser Spielzeit, die Ende Juni endet, stehen im Mai und Juni noch drei große Projekte an. Den Anfang macht Jesse James oder Was der Kommunismus war am 20. Mai. Das Projekt von Janis Jirotka hat den Start Off-Wettbewerb gewonnen, den das Lichthof seit elf Jahren zusammen mit der Hamburgischen Kulturstiftung ausrichtet. Darin geht es um Eltern, die aus kommunistischen Ländern oder weil sie selbst Kommunist*innen waren, geflohen sind: Aus der Tschechoslowakei nach dem Einmarsch der Roten Armee im Jahr 1968, aus dem Iran und aus Südvietnam. „Da Stück stellt die Frage, was diese Fluchten mit den Vätern und den Familien gemacht haben. Es geht um Rassismus und das Gefühl des Nicht-Ankommens. Es geht aber auch um die Frage, was es mit den Kindern gemacht hat, die  jetzt auf der Bühne stehen, und das Verhältnis dieser jüngeren Generation zum Kommunismus“, so Schulze-Kraft. Die Premiere von „Jesse James“ läuft am 20.5. um 20.15 Uhr, anschließend ist es als Stream-On-Demand noch bis zum 30.5. zu sehen. Tickets gibt es zwischen 5 und 20 Euro auf der Webseite des Lichthof Theaters. 

"Der Wald" © Eleonore-Rooedel, Jacob Hohf, Martin D’Costa und Heike Blenk 

Einen großen Erfolg feierte das LICHTHOF Theater 2018 mit Helge Schmidts Inszenierung der Cum-Ex Papers, die den Deutschen Theaterpreis FAUST verliehen bekam. Schmidt knüpft mit Tax For Free – Scholz und Tschenscher geben einen aus  und Michael Kohlhaas wundert sich an sein aufklärerisches Stück an. Wieder arbeitet er mit dem Investigativ-Journalisten Oliver Schröm vom ARD-Magazin Panorama zusammen und fragt angesichts der Verwicklung Hamburger Politiker in den Skandal um die Warburg-Bank, wie Finanzmacht demokratische Prozesse außer Kraft setzen kann. „In dem Stück werden Material und Informationen gezeichnet, die der Öffentlichkeit nicht ohne weiteres zugänglich sind“, sagt Schulze-Kraft über das Stück, das am 28.5. um 20.15 Uhr im Stream Premiere feiern wird.

Am Wochenende 12. und 13. Juni plant das LICHTHOF Theater dann noch ein Event mit Zuschauer*innen – allerdings nicht im Theater, sondern auf dem Parkplatz an der Mendelssohnstraße 15. Dann zeigt die Hamburger Regisseurin Kerstin Steeb dort ihren Opernfilm Der Wald.  Wieviel Zuschauer*innen für dieses Open-Air-Kino zugelassen werden, kann Schulze-Kraft noch nicht sagen, weil sich die behördlichen Bestimmungen laufen ändern:  "Aber 100 Stühle haben wir.“

 

 

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