Im Fokus der Theaterpreis-Jury

Mai 2023

Auch diesen Herbst wird wieder der Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares für herausragende Leistungen in der Spielzeit 2022/2023 verliehen. Unsere Theaterpreis-Jury, bestehend aus Dr. Inge Volk, Jan Peter Gehrckens, Patrick Giese, Christian Hanke, Gunter Mieruch, Maike Schäfer und Elke Westphal, ist fleißig in den Häusern der Stadt unterwegs, um die nächsten Preisträger*innen ausfindig zu machen. Aktuell hat die Jury folgende Stücke in den Fokus genommen. Einige davon stehen auch aktuell (noch) auf den Spielplänen.

 

König Lear im Thalia Theater

König Lear © Armin Smailovic 

Jetzt ist es aber wirklich genug mit der Herrschaft des alten weißen Mannes! Lasst endlich die Jungen ran, am besten junge Frauen! – So denkt hier der König selbst. Nun gilt es, den Nachlass zu ordnen, die gerechte Verteilung unter den drei Töchtern zu klären und sich mit Würde aus der Politik zurückzuziehen. Doch ganz so leicht ist es mit dem Loslassen von Macht leider nicht. Als die schmeichelnde Liebesbekundung der jüngsten und geliebtesten Tochter nicht wie gewünscht geliefert wird, enterbt er sie kurzerhand. Überhaupt überkommt es Lear angesichts seiner schwindenden Autorität, noch mal alles um sich herum anzuzünden und in Schutt und Asche zu legen, auf offensichtliche Heuchler zu setzen, bis ihm nichts mehr bleibt. Altersstarrsinn? Panik? Größenwahn? Beginnende Demenz? Das hilflose Klammern am geliebten Herrschertum? Anscheinend eine Schwäche, die nicht nur ihn betrifft; denn auch Graf Gloucester, einst sein Vertrauter, setzt auf das falsche Kind und schafft es nicht, würdevoll aus dem Spiel der Macht auszusteigen.

 

Alice – Spiel um dein Leben in den Hamburger Kammerspielen

Alice – Spiel um dein Leben © Bo Lahola

Natalie O’Hara in einem Ein-Personen-Stück mit Klavier über die Pianistin Alice Herz-Sommer und ihr Überleben als Jüdische Musikerin im Ghetto Theresienstadt – eine wahre Geschichte über die Kraft der Musik als emotionales Theatererlebnis.

Alice Herz-Sommer (1903-2014) wurde in hohem Alter berühmt, als ihre Biografie „Ein Garten Eden inmitten der Hölle“ sowie mehrere Dokumentarfilme über sie international Erfolge feierten. Ihr Optimismus und ihre Menschenliebe, die sie sich trotz ihres schweren Schicksals bewahrte, bewegt und inspiriert nachhaltig.

Es entstand die Idee für ein Theaterstück, das einerseits Alices Zeit in Theresienstadt nachzeichnet, wo sie Konzerte gibt und mit ihrem sechsjährigen Sohn ums Überleben kämpft und andererseits den Zauber der Musik erlebbar macht, der sie vor Verbitterung und Verzweiflung geschützt zu haben scheint. Die Diskrepanz zwischen der Schönheit der Musik und dem Schrecken des Ghettos ist Thema dieses Abends, der Klavierkonzert, Biografie und Schauspiel in einem ist.

 

Spatz und Engel im Ernst Deutsch Theater

Zwei charismatische Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Edith Piaf, der »Spatz von Paris«, das Kind eines Zirkusakrobaten und einer Straßensängerin, wächst in einem Bordell in der Normandie auf. Marlene Dietrich, der »blaue Engel«, stammt aus einer preußischen Offiziersfamilie und wird an der Staatlichen Musikschule Weimar ausgebildet. Jede Sängerin für sich eine Stilikone mit bis heute ungebrochener Popularität. Beide begegnen sich 1947 in New York und es kommt zu einer intensiven Freundschaft, die von der Öffentlichkeit weitgehend unbeachtet bleibt. Beide leben und lieben exzentrisch. Was bleibt sind unvergessliche Lieder.

 

The Who and the What im The English Theatre of Hamburg

The Who and the What © The English Theatre of Hamburg 

As Zarina’s family is forced to confront their own beliefs and prejudices, tensions rise, and secrets are exposed, culminating in a dramatic and emotionally charged climax. Through gripping performances, unforgettable characters, and sharp, incisive dialogue, The Who and the What takes us on a journey of discovery, challenging our assumptions and beliefs in ways that are both profound and exhilarating.

Don’t miss this opportunity to experience one of the most exciting and thought-provoking plays of the year. With its compelling narrative and stunning performances, The Who and the What is a must-see theatrical experience that will leave you moved, challenged, and inspired. So why wait? Book your tickets today and be part of a journey that will stay with you long after the final curtain.

 

Dat Füerschipp im Ohnsorg-Theater

Dat Füerschipp © Sinje Hasheider 

Das alte Feuerschiff liegt fest verankert in der Ostsee, um anderen Schiffen in Seenot zu helfen. Nun hat es beinahe ausgedient. Kapitän Freytag und seine Crew haben die letzten Tage vor sich, als ein bemanntes Boot in Seenot ausgemacht und geborgen wird. Doch die drei Geretteten erweisen sich als zu allem entschlossene Gangster, die keineswegs an Land gebracht werden wollen. Die Situation spitzt sich zu und Kapitän Freytag droht die Kontrolle über die Mannschaft zu verlieren. Welche Chance hat er, seine Mannschaft angesichts steigender Gewaltbereitschaft zusammenzuhalten? In der immer gefährlicher werdenden Situation muss sich der Kapitän nicht nur gegen den Vorwurf der Feigheit zur Wehr setzen, sondern auch seinen Gegenspieler Dr. Caspary in Schach halten.

 

Hans & Grete im Opernloft

Hans & Grete © Inken Rahardt 

Im Haus Waldfrieden hat alles seinen geregelten Tagesablauf. Das Personal arbeitet mit aller Kraft, um den Bewohner*innen einen schönen und würdevollen Lebensabend zu bereiten. Hans lebt dort bereits eine Weile und ist der Welt ein kleines bisschen entrückt. Dann zieht Grete in sein Nachbarzimmer. Beim Lebkuchenbacken kommen sich die beiden näher und finden im anderen ihren “Seelenmenschen”. Und schon ist die Welt um sie herum ein bisschen weniger grau.

Hans und Grete durchleben emotionale Höhen und Tiefen, erleben große Freude und große Angst. Aber: Sind ihre Erlebnisse überhaupt real? Oder sind Hans und Grete schon in ihre eigene Welt entrückt? Während bei beiden das Vergessen einsetzt und ihnen die Realität immer mehr entgleitet, driften sie gemeinsam in eine märchenhafte Fantasiewelt ab.

“Altwerden ist nichts für Feiglinge", so heißt ein bekannter Buchtitel. Und doch gehört es zu unserem Leben dazu, dass wir uns mit dem Altern und dem Tod auseinandersetzen. So wie Kinder unsere Fürsorge benötigen, fallen auch alte Menschen irgendwann in die Schutzbedürftigkeit. Die Jungen kümmern sich um die Alten und werden sich ihrer eigenen Sterblichkeit schmerzhaft bewusst.

 

Il trittico in der Staatsoper Hamburg

Il trittico © Brinkhoff/Mögenburg

Drei Geschichten, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Eine Erbschleicherkomödie im Florenz des 13. Jahrhunderts, die Dantes Göttlicher Komödie entlehnt ist, ein Eifersuchtsdrama im Pariser Kleinbürgermilieu und schließlich die Tragödie einer jungen Frau, die um ihr Leben und ihr Kind betrogen wird. Bei allen Gegensätzen kreisen die drei Werke um die ewigen Fragen nach Liebe, nach Wahrheit, nach der Chance auf ein eigenes, selbstbestimmtes Leben. Gegen den Widerstand seines Verlegers Giulio Ricordi konnte Puccini den Plan eines musikalischen Triptychons über viele Jahre nicht durchsetzen, und erst nach dessen Tod wagte der Komponist das Experiment, drei Einakter zu einem Opernabend zu verbinden, die Lust am Neuen prägt auch die Musik. Schiffssirenen, Motorhupen, ein verstimmter Leierkasten werden in Il tabarro atmosphärisch collagiert. Dissonanzen und zeitgenössische Tanzrhythmen schleichen sich in Gianni Schicchi ein. Suor Angelica wird ausschließlich von Frauenstimmen geprägt – das galt lange als Manko dieser Oper und erscheint uns heute umso wegweisender. Die Geschichte einer jungen Mutter, die von der engstirnigen Moral ihrer bigotten Familie in den Selbstmord getrieben wird, bildet in unserer Neuproduktion das Finale. Il trittico ist Puccinis letztes vollendetes Werk, ein dramaturgisches Experiment, das an der Schwelle der musikalischen Moderne steht.