Herausragende Inszenierung

Cora Sachs
"Wenn wir tanzen, summt die Welt"
monsun.theater

Die Begründung der Jury lautet:
Wenn die beiden noch jungen Schauspielerinnen Milena Straube und Lisa Tschanz beim 
Schlussapplaus des Stücks „Wenn wir tanzen, summt die Welt“ ihre Gesichtsmasken ablegen, meint man, seinen Augen nicht zu trauen. Denn zuvor verkörperten sie zwei alte Menschen so authentisch in Haltung, Gestus und Stimme, dass man wirklich dachte, einem betagten Ehepaar zuzusehen. In der präzisen Inszenierung von Cora Sachs wird der Zuschauer emphatischer Augenzeuge eines anrührenden Dialogs zwischen den Alten. Zum Schluss stellt sich aufgrund des fesselnden Spiels überraschend heraus, dass die szenischen Bruchstücke aus einer 50 Jahre währenden Ehe mit allen Höhen und Tiefen nur als Erinnerung einer Witwe wieder verlebendigt wurden. Ein grandioses Maskentheater über die Würde des Alterns.

 

 

Paul-Georg Dittrich
"I.th.Ak.A"
Staatsoper Hamburg

Die Begründung der Jury lautet:
Die Inszenierung der Uraufführung Samuel Penderbaynes’ Oper „I.th.Ak.A.“ ist ein modernes 
Gesamtkunstwerk. In Anlehnung an Homers berühmte „Odyssee“ wird bei Regisseur Paul-Georg Dittrich, auch dank des klugen Librettos von Helmut Krausser und des musikalischen Crossovers von Klassik, Jazz, Rock, Pop bis Electronic, die Suche nach dem Sehnsuchtsort – hier: das Internet als rettende Insel – zu einer vorprogrammierten Cyber-Irrfahrt ins sogenannte Dark Net. Er platziert wirkungsvoll die Zuschauer hautnah am Geschehen im schiffrumpfartigen Bühnenbild mit Videoprojektionen. Und mitten hindurch lässt Dittrich das hervorragende Sängerensemble als Cyborg-ähnliche Fabelwesen mäandern. Bei diesem

intelligenten und zeitgenössischen Musiktheater stimmt einfach alles.

 

 

Herausragendes Bühnenbild / Ausstattung

Beate Zoff
"Romeo un Julia"
Ohnsorg-Theater

Die Begründung der Jury lautet:
Sie hat eine Zirkusmanege entworfen, aber nicht fur einen Zirkus, sondern im Ohnsorg-
Theater – fur „Romeo un Julia“. Damit hat Beate Zoff, als Buhnenbildnerin in allen Theatersparten unterwegs, ob nun Schauspiel, Oper oder Musical, ein ebenso ungewöhnliches wie passendes Ambiente fur die beruhmteste Liebesgeschichte der Welt geschaffen. In ihrem multifunktional fantasievoll gefertigten Manegenrund befehden sich die Capulets und die Montagues als Zirkusfamilien, tragen Romeo und seine Widersacher ihre Kämpfe aus. Und auch fur die Ruckseiten der Zirkusbänke findet sich noch Verwendung, um die Familienmitglieder wie Zombies mittels Drehbuhne an den Liebenden vorbeifahren zu lassen. Ein starkes Bild im starken Buhnenrund, das einen Theaterpreis Hamburg - Rolf Mares verdient hat.

 

 

Marius Kob
Puppenbau in "Frankenstein"
in der Uraufführung der Staatsopern-Produktion auf Kampnagel im Rahmen des Internationalen Musikfests Hamburg.
Eine Kooperation der Hamburgischen Staatsoper mit Kampnagel, der Elbphilharmonie Hamburg und der Hochschule für Musik und Theater Hamburg.

Die Begründung der Jury lautet:
Eine Puppe für eine Opernaufführung so zu bauen, dass sie nicht nur perfekt ihre Rolle 
verkörpert, sondern sogar zum Star des Abends wird, das ist eine besondere Kunst. Marius Kob hat für Jan Dvoraks Oper „Frankenstein“, die in der Inszenierung von Philipp Stölzl am 20. Mai 2018 auf Kampnagel uraufgeführt wurde, ein zweieinhalb Meter hohes „Wesen“ erschaffen. Trotz ihrer gigantischen Größe wirkt diese Puppe mit ihrem durchscheinenden Körper fast zerbrechlich. Das hervorragende Team der drei Puppenspielenden Christian Pfütze, Claudia Six und Zora Fröhlich, sowie der Schauspielerin Catrin Striebeck, die der Figur eine Stimme gibt, hat einen großen Anteil am Gesamtkunstwerk des „Monsters“. Seine Existenz verdankt es jedoch der herausragenden gestalterischen Arbeit von Marius Kob.

 

 

Herausragende Darstellerin / Herausragender Darsteller

Jele Brückner
als Elisabeth in "Maria Stuart"
Ernst Deutsch Theater

Die Begründung der Jury lautet:
Sie spielt die vermeintlich Stärkere, die englische Königin Elisabeth I. in Schillers Drama „Maria Stuart“. Doch Jele Brückner zeigte in Mona Kraushaars Inszenierung am Ernst Deutsch Theater eine zutiefst unschlüssige Frau, betonte das Hin- und Hergerissensein der Monarchin zwischen Staatsräson und Menschlichkeit, Verständnis und Misstrauen gegenüber der eingekerkerten Rivalin. Wie sich ihre Elisabeth nicht entscheiden kann zwischen den Haltungen ihrer Lords. Wie sie der Mächtigsten in diesem Stück weiche Züge, Gefühle, Einblicke in deren Seele verleiht. Wie ein Teenager hält sich ihre Elisabeth den geliebten Leicester erst vom Leib, um ihm doch in die Arme zu fallen.

 

Marius Adam
als Don Pomponio Storione in "La Gazzetta"
Allee Theater / Hamburger Kammeroper

Die Begründung der Jury lautet:
Kleine Besetzung, große Stimmung: Mit allem Witz, überbordendem Selbstbewußtsein und immer ein wenig nachlappendem Kapee, entzückt Marius Adam als Don Pomponio Storione in „La Gazzetta“. Rossinis buffo Papa mit den klaren Heiratsplänen für Tochter Lisetta, wird an der Hamburger Kammeroper ins Internetzeitalter versetzt und es ist die pure Lust, den Komödianten mit dem satten Bariton bei seinen elektronischen Eheanbahnungsspielen zu begleiten. Marius Adam steht an der Spitze des quirlig aufspielenden Ensembles, das den Abend im Hotel mit seinen Schiebewänden zum unvergesslich nachklingenden Besuch macht. Schöner Scheitern mit Marius Adams Don Pomponio Storione. Dank ihm wird der Sieg der Liebe über den Geschäftssinn zum Ohrenschmaus und prallen Vergnügen.

 

Lisa Hagmeister
als Selma in "Dancer in the Dark"
Thalia in der Gaußstraße

Die Begründung der Jury lautet:
Zeigen, nicht zeigen, Dialog im Dunkeln – und dann diese Stimme: Lisa Hagmeister als „Dancer in the Dark“ im Thalia in der Gaußstraße, spielt die erblindende Selma in dem Dunkel, in dem Regisseur Bastian Kraft Lars van Triers Film für die Bühne adaptiert. Selma ist aus Tschechien in die USA emigriert und spart dort jeden Cent, um durch eine Operation ihren Sohn vor der erblichen Erblindung zu retten. Lisa Hagmeister beherrscht so souverän wie virtuos jede Nuance ihrer Stimme, zerbrechlich, trotzig, hoffnungsfroh und immer eigensinnig, ohne je die Konkurrenz zum isländischen

Gesangstar Björk zu suchen, die Selma im Film spielte. Mitreißend gibt sie „bedrohten Träumen Kraft“, wie es ein Kritiker auf den Punkt gebracht hat. Eine Schauspielerin, deren fein geschliffenes Wort unschätzbar wichtig ist in lauter Gegenwart.

 

Charly Hübner
als Fritz Honka in "Der goldene Handschuh"
Deutsches SchauSpielHaus

Die Begründung der Jury lautet:
Verwahrlost, depressiv und versoffen ist die Klientel der Kiezkneipe „Zum Goldenen Handschuh“. Auch Fritz Honka, gespielt von Charly Hübner, ist eine dieser traurigen Randexistenzen. Ein vom Leben geschundener Alkoholiker, der sich nichts mehr wünscht, als Anerkennung und ein „stinknormales“ Leben – mit einer schönen, gepflegten Frau. Charly Hübner als Honka ist fies, brutal und eklig – und gleichzeitig mitleiderregend.

Die Wucht, mit der er diese zerrissene Persönlichkeit mit all ihrer Unbeholfenheit und unberechenbaren Aggression verkörpert, um uns im nächsten Moment anzurühren – in seinem Bemühen, ein „ganz normaler Mensch“ zu werden, das ist höchste Schauspielkunst.

 

Sonderpreis für außergewöhnliche Leistungen im Rahmen des Hamburger Theaterlebens

Erik Schäffler

Die Begründung der Jury lautet:
Er ist Schauspieler – auf der Bühne und im Film bzw. Fernsehen –, Synchronsprecher, Regisseur, 
Produzent und Autor. Er lebt seit 1991 in Hamburg und brauchte als gebürtiger Schwabe fünf Jahre, um sich hier richtig wohlzufühlen. Er spielte am Deutschen SchauSpielHaus, Ernst Deutsch Theater, St. Pauli Theater, Komödie Winterhuder Fährhaus, Schmidts Tivoli und auf Kampnagel. Er gründete in dieser Stadt das freie Theater Triebwerk und inszeniert nun als Mitglied der freien Gruppe Axensprung an öffentlichen Hamburger Plätzen, wie dem Mahnmal St. Nikolai. Wir sahen ihn seit 25 Jahren in der Speicherstadt in der Rolle des Teufels in seiner Inszenierung „Der Hamburger Jedermann“ von Michael Batz, und sehen ihn jetzt leider nicht mehr, denn das Projekt wird nicht fortgeführt. Die Rede ist von Erik Schäffler, der die Hamburger Theaterlandschaft mit seiner Umtriebigkeit, seiner virilen Energie und seinem vielfältigen Können entscheidend mitgeprägt hat und hoffentlich weiterhin mitprägen wird.